Rassimus im Rat der Stadt Lüneburg

In Deutschland wird rassistische, antisemitische und rechte Gewalt selten als solche benannt. Die Morde des NSU, der Anschlag auf die Synagoge in Halle und die rassistischen Morde in Hanau waren nicht die ersten ihrer Art, sondern stehen in einer langen Kontinuität rechter Anschläge und Morde. Durch die Arbeit vieler Angehöriger, Freund*innen und Aktivist*innen rückte die Gewalt in den letzten Jahren jedoch stärker in die Öffentlichkeit. Diese Gewalt als das zu benennen was sie ist, stellt das Mindeste dar, was Staat und Gesellschaft den Betroffenen schulden… und ist noch lange nicht genug. 

Dass weiße, christliche Deutsche dazu nach wie vor nicht in der Lage sind und stattdessen lieber Opfer zu Tätern machen und umgekehrt, bewies der Lüneburger Bürgermeister Ulrich Mädge (SPD) am 04. Februar diesen Jahres. Bei der wiederholten Diskussion um den Seebrücke Antrag, die Stadt zum sicheren Hafen zu erklären, hielt Mädge eine ca. 10minütige Rede. Sie enthielt unter anderem folgende Passage:  Continue reading “Rassimus im Rat der Stadt Lüneburg”

Zusammen gegen die Fundamentalist*innen

Der folgende Text wurde in gekürzter Form von uns als Redebeitrag auf unserer Demonstration “Feministisch kämpfen! Sexismus wegfegen!” am 31. Oktober in Lüneburg gehalten. Wir haben ihn nocheinmal aktualisiert und möchten ihn jetzt in seiner Form vom 12. November 2020 mit euch teilen.
(English below)

Zusammen gegen die Fundamentalist*innen! Solidarität mit Aktivist*innen und Betroffenen in Polen!

Faktisches Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in Polen

Am 22. Oktober hat das Verfassungsgericht in Polen das Recht auf Abtreibungen faktisch komplett abgeschafft. Dies geht auf einen Antrag der regierenden nationalkonservativen Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS) zurück. Seit 1993 waren die Gesetze bereits ultra restriktiv, da seitdem Schwangerschaftsabbrüche nur noch in wenigen Ausnahmefällen erlaubt waren: Bei gesundheitlicher Gefahr für die schwangere Person, nach einer Vergewaltigung, bei Inzest und bei einer schwerwiegenden Fehlbildung des Fötus. Letzteres wurde nun verboten, obwohl 98% (1) der Abtreibungen in Polen aus embryopathischen Gründen durchgeführt werden mussten, weshalb das Urteil des politischen Verfassungsgericht einem kompletten Verbot von Abtreibungen gleichkommt. Die Person, die hinter dem jetzigen Verbotsantrag steht, drohte bereits, dass es nur eine Frage der Zeit sei bis Abtreibungen aufgrund von Vergewaltigungen oder Inzest ebenfalls verboten werden sollen (2).’ Continue reading “Zusammen gegen die Fundamentalist*innen”

Gendergaga und Sprachpolizei?

Beitrag zu den Diskussionen ums Gendern & Veröffentlichung verschiedener Leser*innenbriefe.

Am 8. Juli berichtete die Lünepost über das Vorhaben der Stadtratsfraktion der Lüneburger Grünen, in der Kommunikation der Stadt “gendersensible” Sprache zu verwenden. Während alle zitierten FLINT* im Artikel geschlechtergerechte Sprache unterstützen, zeigt sich lediglich OB Mädge wenig überzeugt: “Gleichstellung ist keine Frage der Formulierung.” Winfried Kretschmer (Grüne / Ministerpräsident von BaWü) äußert einen Monat später, im Bezug auf Gendern, er wolle sich von der “Sprachpolizei” nicht einschränken lassen. Alle sollen reden “wie ihnen der Schnabel gewachsen ist”. Ähnlich klingen auch die Leser*innenbriefe die in der Lünepost abgedruckt wurden, und auf den Artikel reagieren. Auf die trans- inter und queerfeindlichen Bemerkungen aus diesen Briefen, werden wir hier ebenso wenig eingehen, wie auf die dort gestellte Frage, warum Menschen durch Verschweigen überhaupt ausgegrenzt würden. Wir veröffentlichen hier stattdessen Leser*innenbriefe aus unserem Bündnis, die wir geschrieben haben, weil uns das Lesen der vorherigen Briefe wütend und traurig gemacht hat. Außerdem möchten wir aufzeigen, dass Kretschmer & Co ein rechtes Argumentationsmuster mit verschwörungsideologischem Touch verwenden, um nicht nur das Gendern, sondern die dahinterstehenden Bemühungen, die feministische Kritik und die Bedürfnisse von FLINT* abzuwerten. Gegen diesen und jeden Antifeminismus wollen wir zusammen kämpfen. 

Klar erschöpft sich Gleichstellung nicht in Sprache. Schön, dass das so viele verstanden haben und betonen. Aber nur weil mit dem Gendern noch nicht alles getan ist für Gerechtigkeit und Befreiung aller Geschlechter, lässt sich Sprache nicht ausklammern. Mit diskriminierender Sprache werden wir in diesen Punkten nämlich nicht weit kommen. Wenn Menschen, wie in der Lünepost, sagen mit dem “Gendersternchen sei in keinster Weise geholfen” ignorieren sie alle feministischen Stimmen die seit Jahrzehnten dafür kämpfen, dass die Sprache sich ändert. Mehr noch, sie machen sie ungültig. Sorry, aber ihr könnt nicht für andere entscheiden was “hilft”.

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Femizide, häusliche Gewalt und Corona

Wir veröffentlichen hier einen Artikel den wir für die Sommerausgabe der Zeitschrift Graswurzel Revolution geschreiben haben und der dort am 20. Juni veröffentlicht wurde. Ergänzt haben wird die Änderungen, die wir im Rahmen des Langen Marsches der kurdischen Jugend im September für einen Redebeitrag hinzugefügt haben. Sie werden kursiv gekennzeichnet

Am 25. April hielten Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre und trans Personen (FLINT*) in Lüneburg eine Kundgebung zum Thema Femizide und häusliche Gewalt ab. Anlass war unter anderem der Femizid an Besma Akinci, welche am 20.04. in Einbeck bei Northeim von ihrem Ehemann getötet wurde. Der folgende Text entstand im Nachgang dieser Kundgebung und wurde von Aktivist*innen des feministischen 8. März Bündnis Lüneburg verfasst. In dem Artikel wird Gewalt gegen FLINT* thematisiert und beschrieben. Das kann retraumatisierend und triggernd wirken.

Frauen wurden jahrhundertelang als Eigentum der Männer betrachtet. Bis zur rechtlichen Gleichstellung im Jahr 1958 wurden in Deutschland Männer per Gesetz zum Vormund der angeblich unmündigen Frau erklärt. (1) Erst 1976 wurde die explizite Verantwortung der „Frau“ für den Haushalt aus dem BGB gestrichen. Was vor nicht allzu langer Zeit noch geltendes (Un-)Recht war, wirkt sich bis heute gewaltsam aus. Die Gesetze wurden zwar abgeschafft, aber das patriarchale Denken dahinter besteht fort. So erfahren wir als FLINT* aufgrund unseres Geschlechts oder unserer Sexualität die Gewalt einer patriarchalen Gesellschaft, die Weiblichkeit abwertet und als weiblich wahrgenommene Personen entmündigt und verkindlicht. Die Gewalt einer Gesellschaft, die uns ein binäres Geschlechterkonstrukt aufzwingt und uns nicht nur psychisch darauf zurichtet. Verstümmelung an inter Kindern ist in Deutschland gängige Praxis. Weder über unsere geschlechtliche Identität noch über unsere Körper dürfen wir frei entscheiden. Das Transsexuellengesetz und die Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch beschneiden unsere Selbstbestimmungsrechte grundlegend. Nicht nur in der Öffentlichkeit, auch im Privaten äußert sich diese Diskriminierung: Körperliche und psychische Gewalt gehören zum Alltag von FLINT*. Continue reading “Femizide, häusliche Gewalt und Corona”

Solidarität mit Unfug!

Wir, Frauen, Lesben, trans, nicht-binäre und inter Personen (FLINT*) solidarisieren uns mit den Bewohner*innen und Aktivist*innen der aktuell von Räumungen bedrohten linken Wohnprojekten. An erster Stelle mit den Freund*innen von UNFUG in Lüneburg, die teilweise durch die unmenschliche Wohnpolitik der Stadt wohnungslos geworden sind. Außerdem gilt unsere volle Solidarität heute besonders der Rigaer94 in Berlin, die in den letzten zwei Tagen Repression, Teilräumungen und Schikanen durch die Polizei und den angeblichen Eigentümer des Hauses ertragen mussten.

Uns ist wichtig zu betonen, dass private Räume, Beziehungen und Formen des Zusammenlebens politisch sind und immer waren. Der Versuch Freiräume zu schaffen, ist notwendig damit wir uns, unsere Beziehungen und unser Verhalten außerhalb herrschender Verhältnisse erfahren und grundsätzlich verändern können. Auch wenn wir uns als FLINT* Personen im Bündnis treffen, versuchen wir in kleinem Rahmen einen anderen, solidarischeren Umgang zu ermöglichen. Die Räume in denen wir zusammen Wohnen und Leben grundlegend umzugestalten ist auch Selbstbestärkend und gibt uns neue Handlungsfähigkeit. Es zeigt uns, dass wir Geschlechterrollen und Familienbilder kritisieren und verändern können, die FLINT* ausschließen, belasten oder Gewalt aussetzen. Aus feministischer Perspektive sehen wir in diesen alternativen Wohnformen die Chance, Care-Arbeit zu vergemeinschaftlichen, Familienmodelle aufzubrechen und somit Familie und Gemeinschaft neu zu denken. Zum Beispiel ist es in Hausprojekten möglich, Erziehungsarbeit  gleichberechtigter aufzuteilen, da nicht aufgrund von hohen Mieten eine Person (meistens der Vater) die “Ernäherrolle” übernehmen muss. Außerdem können durch gemeinsame Kinderbetreuung alle Eltern, insbesondere Alleinerziehende entlastet und unterstützt werden.

Hausprojekte und Häuserkampf wurden über Jahrzehnte durch die feministische Bewegung mitgestaltet und haben Handlungsräume, Schutzräume und Kämpfe ermöglicht. Linke Freiräume sind nicht die befreite Gesellschaft und auch hier wurde das Patriarchat noch nicht abgeschafft – aber das, was hier erkämpft wurde müssen wir auch aus feministischer Perspektive verteidigen!

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