Die Istanbul Konvention gehört uns!

Es folgt ein Gastbeitrag von Arzu Korkmaz. Die Autorin kam 1974 als Kind einer politisch kurdischen Familie in Diyarbakır auf die Welt. In der Türkei arbeitete sie als Direktorin der Halkların Demokratik Partisi (HDP), um für Menschenrechte, die Rechte der Frauen und die Rechte aller marginalisierten Völker zu kämpfen. Nach wie vor ist sie in der Presseabteilung der Partei tätig. Durch den starken Druck auf die Pressefreiheit und die Verfolgung von Kritiker*innen in der Türkei musste sie ihr Land verlassen und wartet nun in Deutschland auf das Ende ihres Asylverfahrens.

Als einziges Gesetz, dass Frauen vor Gewalt schütz, wurde die Istanbul Konvention über Nacht von der faschistischen AKP Regierung annulliert. Unsere Genossinnen müssen als kämpferische und widerständige Subjekte, über allen Ideologien hinweg, über Partei-, Glaubens- und Religionsidentitäten hinweg, dagegen eine gemeinsame Kraft und Stimme der Frauen bilden. Auf nationalistische, sexistische männliche Politik müssen sie die notwendige Antwort geben. In einer Zeit, in der schreckliche Wirbel über das Land fegen, als würden politische, soziale und wirtschaftliche Probleme nicht reichen, versucht die AKP Regierung jedes Mal mit anderen Themen die Agenda zu verändern.

Insbesondere hat die AKP Regierung den 8. März, den Internationalen Frauentag, zum Anlass genommen, um ihr Gift zu zerstreuen. Das zusammenkommen denkender, schreibender, zeichnender, sprechender, schaffender, Widerstand leistender, Politik machender Frauen, die sich mit ihren Gedanken, ihren Standpunkten vereinigen um zu demonstrieren und der Ausbau der Solidaritätsbasis ist eine Bedrohung für die Regierung. Weil Veränderung „zu Hause” anfängt, weil sie mit “Frauen” anfängt. Sie beginnt mit dem Kind, das von einer Frau erzogen wird. Aufgrund des Slogans “Tayyip flieh-flieh die Frauen kommen”, der während den diesjährigen, in Istanbul stattfindenden 8. März Demonstrationen gerufen und als Straftat wahrgenommen wurde, wurden nachts 1 Kind und 12 Frauen während Razzien festgenommen.

Es muss Teil unserer Prioritäten sein, Gesetze, die Frauen vor den zunehmenden Frauenmorden und der Gewalt gegen Frauen schützen – die zwar existieren aber nicht umgesetzt werden – so schnell wie möglich umzusetzen und Institutionen und Organisationen, die diese Gesetze überwachen ins Leben zu rufen. Leider existiert in der Türkei eine politische Struktur, die Menschenrechte systematisch verletzt. Gegen die Gewalt von Mann/Staat, gegen Morde, gegen Missbrauch, gegen Vergewaltigungen und auch um die Befragung unserer festgenommenen Freundinnen zu überwachen, sollten internationale Haftverfahren angewendet und weiterverfolgt werden. Die Tatsache, dass der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu, der sich gegen illegale nackte Durchsuchungen während der Haft aussprach, nach seiner Rede verklagt und seiner Immunität als Abgeordneter entzogen wurde, stellt eine Bedrohung dar. Die zwischen 2011 und 2019 offiziell registrierten mehr als achttausend Frauenmorde wurden während des AKP Regimes begangen. Allein 2020 wurden 300 Frauen ermordet.

Wir Frauen werden, unter dem Slogan “Feministischer Widerstand ist überall”, gegen den Hass gegenüber LGBTI+, denen nicht mal das Recht zum Leben zugestanden wird, gegen Transphobie, gegen Homophobie, gegen Vergewaltigungen, gegen Tiermorde, gegen Naturmassaker und gegen Kriegspolitik mit als unseren Identitäten und Farben auf den Straßen sein!

von Arzu Korkmaz, ins Deutsche übersetzt von Freya S.