Reaktion auf die Eröffnungsrede von Sascha Spoun zum Diversity Tag an der Uni Lüneburg
„In einer offenen Gesellschaft […], fragen wir nicht mehr danach, wer etwas sagt,(also nach Herkunft, nach Aussehen oder sexueller Orientierung) sondern danach, was diese Person sagt.“ Mit diesen Worten leitete Sascha Spoun den diesjährigen Diversity Tag der Uni Lüneburg am 18. Mai ein. Die Forderung, nicht mehr danach zu fragen, wer spricht ist derzeit in aller Munde. So reiht sich der Universitätspräsident in eine ganze Tradition von Autor*innen ein.
Im Folgenden möchten wir kurz klarstellen, warum Spoun mit seiner Annahme falsch liegt und warum diese Fehleinschätzung gefährlich ist und dazu führen kann, dass effektive Antidiskriminierungsarbeit blockiert wird.
Auch wir wünschen uns eine Welt, in der es nicht mehr wichtig ist, wer spricht: Eine Welt, in der alle gehört werden. Doch auch wenn ein Konsens dahingehend besteht, dass strukturelle Diskriminierung abzulehnen ist, spielt es nach wie vor eine immense Rolle, wer spricht – denn immer noch entscheiden Merkmale wie etwa Herkunft, sexuelle Orientierung, geschlechtliche Identität oder sozialer Status darüber, wer sprechen kann. Einfach aufzuhören, danach zu fragen, wer spricht, wird das Problem struktureller Diskriminierung nicht lösen, sondern im Gegenteil Ungleichheiten sogar noch verschärfen.
Als AK Diskriminierungsschutz möchten wir auf die alte Frage “Wen kümmert´s, wer spricht?” deshalb mit einem schallenden und wütenden: „Uns” antworten! Denn wer sich mit den alltäglichen Kämpfen der Antidiskriminierungsarbeit befasst, wird schnell dahinter kommen, dass wir Ungleichheiten benennen müssen, um sie zu bekämpfen.
Wer kann es sich leisten, zu sprechen – ohne Angst dafür ausgelacht oder beleidigt zu werden? Wer hat die finanziellen Mittel und die Zeit, um sich eine Sprache beizubringen, die ernst genommen wird? Wessen Redebeiträge sind gefragt – in Seminaren, im Feuilleton, bei Eröffnungsreden, auf der Familienfeier, im Bundestag. Wer spricht für wen? Und wer kommt nicht zu Wort?
Für einige wird es hier, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, ungemütlich. Denn weiß, etabliert, westlich, männlich, cis, endo und so weiter zu sein, galt bisher als unmarkierter und unhinterfragter Normalzustand. Kein Wunder also, dass man(n) sich sträubt, dieses Privileg aufzugeben. Aber genau diese Ungemütlichkeiten sind der Punkt, an dem nachhaltige Veränderung bestehender Strukturen eine Chance bekommt. Damit in Zukunft mehr BIPoCs, mehr Frauen, Lesben, inter, trans und nicht-binäre Menschen, Menschen aus dem globalen Süden, Menschen, die behindert werden und die auf andere Weisen marginalisiert sind, zur Sprache kommen.
Wir müssen darüber sprechen, wer spricht!
Alles Gute nachträglich zum Diversity Tag.
Lasst uns zusammen Antidiskriminierungsarbeit machen.