Wir, Frauen, Lesben, trans, nicht-binäre und inter Personen (FLINT*) solidarisieren uns mit den Bewohner*innen und Aktivist*innen der aktuell von Räumungen bedrohten linken Wohnprojekten. An erster Stelle mit den Freund*innen von UNFUG in Lüneburg, die teilweise durch die unmenschliche Wohnpolitik der Stadt wohnungslos geworden sind. Außerdem gilt unsere volle Solidarität heute besonders der Rigaer94 in Berlin, die in den letzten zwei Tagen Repression, Teilräumungen und Schikanen durch die Polizei und den angeblichen Eigentümer des Hauses ertragen mussten.
Uns ist wichtig zu betonen, dass private Räume, Beziehungen und Formen des Zusammenlebens politisch sind und immer waren. Der Versuch Freiräume zu schaffen, ist notwendig damit wir uns, unsere Beziehungen und unser Verhalten außerhalb herrschender Verhältnisse erfahren und grundsätzlich verändern können. Auch wenn wir uns als FLINT* Personen im Bündnis treffen, versuchen wir in kleinem Rahmen einen anderen, solidarischeren Umgang zu ermöglichen. Die Räume in denen wir zusammen Wohnen und Leben grundlegend umzugestalten ist auch Selbstbestärkend und gibt uns neue Handlungsfähigkeit. Es zeigt uns, dass wir Geschlechterrollen und Familienbilder kritisieren und verändern können, die FLINT* ausschließen, belasten oder Gewalt aussetzen. Aus feministischer Perspektive sehen wir in diesen alternativen Wohnformen die Chance, Care-Arbeit zu vergemeinschaftlichen, Familienmodelle aufzubrechen und somit Familie und Gemeinschaft neu zu denken. Zum Beispiel ist es in Hausprojekten möglich, Erziehungsarbeit gleichberechtigter aufzuteilen, da nicht aufgrund von hohen Mieten eine Person (meistens der Vater) die “Ernäherrolle” übernehmen muss. Außerdem können durch gemeinsame Kinderbetreuung alle Eltern, insbesondere Alleinerziehende entlastet und unterstützt werden.
Hausprojekte und Häuserkampf wurden über Jahrzehnte durch die feministische Bewegung mitgestaltet und haben Handlungsräume, Schutzräume und Kämpfe ermöglicht. Linke Freiräume sind nicht die befreite Gesellschaft und auch hier wurde das Patriarchat noch nicht abgeschafft – aber das, was hier erkämpft wurde müssen wir auch aus feministischer Perspektive verteidigen!
Es geht aber nicht nur um einzelne Wohnprojekte und Haushalte. Wohnprojekte, wie das räumungsbedrohte Unfug in Lüneburg oder das anarcha-queer-feministische Wohnprojekt Liebig34 sind nicht nur wichtig für die Bewohner*innen. Sie wirken in den Stadtteil hinein und versuchen vor Ort solidarische, nachbarschaftliche Strukturen aufzubauen. Orte der Solidarität, Unterstützung und Begegnung sind gerade in der Krise wichtig. Während im Zuge der Corona-Maßnahmen viele Menschen auf sich gestellt waren, hat das Wohnprojekt Unfug direkte Nachbarschaftshilfe im eigenen Stadtteil organisiert.
Unsere Solidarität mit Unfug und allen linken von Räumung bedrohten oder betroffenen Wohnprojekten ist Solidarität gegen die Wohnungsmarktpolitik, die nicht verhindert, dass steigende Mieten immer mehr Menschen in prekäre Lebensverhältnisse drängen. FLINT* Personen haben oft besonders wenig Lohn und sind stärker von Armut bedroht. FLINT* sind mehr zu Hause, übernehmen mehr Hausarbeit und sind somit stärker durch beschissene Wohnverhältnisse belastet. Viele alleinerziehende FLINT* müssen sich und ihre Kinder in Wohnungen unterbringen, die sie mit einem einzelnen Gehalt bezahlen können, was in vielen Städten nur schwer möglich ist.
Unsere Solidarität mit Unfug und allen linken von Räumung bedrohten oder betroffenen Wohnprojekten ist Solidarität gegen Repression, Polizeigewalt und Kriminalisierung. Es ist Solidarität gegen tendenziöse Berichterstattung, die linke Positionen delegitimiert und stigmatisiert. In der LZ entsteht der implizite Vorwurf, dass sich Unfug “überörtlicher und wohlmöglich auch professioneller Straftäter […] bedienen” würde. Außerdem knüpft der Titel des Artikels “Die reisenden Hausbesetzer” an antiziganistische Stereotype an und ist somit ebenfalls sehr problematisch. Auch hier zeigt sich deutlich die tendenziöse Berichterstattung zu Unfug. Gerade am Beispiel Unfug zeigt sich, dass linke Wohnprojekte zur Projektionsfläche für die Angst vor linkem Extremismus werden. Allerdings steht die LZ Berichterstattung über Unfug damit nicht alleine. In Zeiten eines massiven Rechtsrucks, von Rechtsterrorismus, rassistischen und antisemitischen Attentaten und Morden ist die immer wiederkehrende Gleichsetzung von Links und Rechts, wie wir sie auch aus Lüneburg kennen, besonders problematisch. Sie verschiebt das Thema, und redet über linke Gewalt, wo über rechte Terrornetzwerk geredet werden müsste. Sie schützt die bürgerliche, so genannte “Mitte” vor radikaler Kritik und Veränderung. Aber gerade auch als FLINT* Personen brauchen wir genau diese Kritik und Räume in denen Solidarität und der Kampf gegen das Patriarchat möglich ist.
Überall sind linke und selbstverwaltete Orte von Polizeigewalt und Verdrängung bedroht. An alle Menschen vor Ort: Wir hoffen, ihr seid nicht alleine und habt Menschen um euch, mit denen es sich zu kämpfen lohnt. Passt aufeinander auf und zeigt euch solidarisch mit den von Räumung bedrohten Projekten.
Unfug bleibt!
Bündnis Feministischer 8. März Lüneburg