Gewalt gegen trans und nichtbinäre Personen

Wir teilen hier unseren ersten Redebeitrag auf der gemeinsamen Demonstration gegen Gewalt an FLINT* und Femizide mit den kurdischen Genoss*innen und Freund*innen des Langen Marschs der Jugend am 08.09.2020.

[English below]

„Hallo, ich bin Dido. Ich bin nichtbinär, das heißt weder Mann noch Frau und transfeminin. Das heißt die Hebamme ging mal davon aus das ich ein Junge bin. Das ist aber falsch. Denn ich bin weiblich. Ja genau, auch wenn ich eine tiefe Stimme habe. Damit müsst ihr klarkommen. Erst einmal will ich danke sagen, an die Orga des Langen Marsches und die Genossinnen die gestern Abend das Seminar gehalten haben. Der Kampf gegen das Patriarchat braucht Bündnisse, und die entstehen nur, wenn wir einander zuhören und Platz machen. Ich habe diese Rede am 20.11 geschrieben. Der 20.11 ist der transgender Day of rememberence. Also der Tag an dem wir in der trans Gemeinschaft den ermordeten trans Personen gedenken. Über 300 aufgezeichnete Morde allein letztes Jahr. Die Dunkelziffer will ich gar nicht wissen, und sie lässt sich nicht feststellen. Bis jetzt wird Gewalt gegen trans Personen in Deutschland nicht erfasst. (…)

Gewalt gegen trans und nichtbinäre Personen wird nicht ernst genommen. Gründe dafür gibt es viele. Ich höre und lese beispielsweise oft, dass nicht-binäre Menschen generell nicht von sexualisierter Gewalt betroffen sein könnten, weil Täter mich nicht attraktiv finden könnten oder weil sie ja gar nicht wissen das ich eine Frau bin. Das ist ein Vergewaltigungsmythos! Sexualisierte Gewalt ist niemals Sex und Sex immer gewaltfrei, das heißt dass ein Übergriff kein Sex ist, sondern Gewalt. Der Sex wird hier als Weg benutz, um Macht auszuüben. Und deshalb ist es auch vollkommen egal ob der Täter mich sexy findet oder nicht. Ob er mich als Frau wahrnimmt oder nicht. Gewalt ist ein fester Teil von Männerherrschaft. Wir Frauen, Lesben, nichtbinären, inter und trans Personen werden über unsere Körper unterdrückt. Die Genossinnen gestern Abend sprachen über den dominanten Mann und das Patriarchat. Gewalt ist dabei seit jeher ein guter Weg, die Herrschaft der Männer aufrechtzuerhalten! Und genau diese Herrschaft hört nicht bei cis Frauen auf (das heißt Frauen, bei denen bei der Geburt gesagt wurde, sie sind Frauen und die auch immer noch Frauen sind). Queer sein, nicht binär sein und trans sein sind ein Angriff auf das Patriarchat. Denn sie Stellen unser Denken in Geschlechterrollen auf die Probe. Und damit auch ein Männlichkeitsbild das von Stärke und Dominanz lebt.

Wenn wir das Patriarchat überwinden wollen, müssen wir auch das Denken in zwei Geschlechtern überwinden. Gleichzeitig ist es so, dass die meisten Hilfs- und Unterstützungsangebote bei Gewalt, trans Frauen und trans feminine Menschen wie mich unbewusst auschließen, – weil wir nicht eingeladen werden, missgegendert werden, es keine extra Räume gibt bis bewusst auschließen (wir sind unerwünscht, weil wir anderen „Angst einjagen“ würden). Trans, so kommt es mir vor, ist in der Anti Gewalt Bewegung immer noch ein Tabuthema.

Ni una Menos – keine Einzige*r mehr, heißt auch über Vorurteile springen und niemanden zurücklassen. Ni una Menas heißt solidarisch sein, zuhören und Handeln. Und verstehen das Gewalt im Patriarchat nicht nur“ cis Frauen Betrifft! Feminismus und Frauenbefreiung heißt die Herrschaft der Männer anzugreifen. Feminismus heißt die Logiken mit denen das Patriarchat funktioniert anzugreifen. Und dazu gehört das Denken in nur zwei Geschlechtern. Lasst uns Schulter an Schulter stehen gegen den Faschismus und gegen das Patriarchat! Gegen den Kapitalismus und Gegen die Zweigeschlechtlichkeit!

Jin, Jiyan, Azadi und We won´t be erased!”

[English]

We share our first speech from our demonstration protesting violence against women, lesbian, nonbinary, inter and trans people that we held with our kurdish friends and comrades from the Long March of the Youth on 8th September 2020. As the beginning of the recoding is lost, you can find the text below.

“Hello, I’m Dido. I am non-binary, that means neither man nor woman and transfeminine. That means the midwife once assumed that I am a boy. But this is wrong. Because I am female. Yes, exactly, even if I have a deep voice. You have to deal with that. First of all I want to say thank you to the organization of the long march and to the comrades who held the seminar last night. The struggle against patriarchy needs alliances, and these alliances can only be formed if we listen to each other. I wrote this speech on 20.11. The 20.11 is the transgender day of remembrance. The day when we in the trans community remember the murdered trans people. Over 300 recorded murders last year alone. I don’t want to know the number of unreported murders, and it cannot be determined.
Until now, violence against trans people in Germany has not been recorded.

Violence against trans and non-binary persons is not taken seriously. There are many reasons for this. For example, I often hear and read that non-binary people in general cannot not be affected by sexualized violence because perpetrators might not find me attractive or because they do not even know that I am a woman.
That is a rape myth! Sexualized violence is never sex and sex is always non-violent, which means that an assault is not sex but violence. Sex is used here as a way to exercise power. And therefore it does not matter, whether the offender finds me sexy or not. Whether he perceives me as a woman or not. Violence is an integral part of male domination. We women, lesbians, non-binary, inter and trans persons are oppressed through our bodies. The comrades last night talked about the dominant man and patriarchy. Violence has always been a good way to maintain male domination! And exactly this domination does not stop with cis women (that is, women who were told at birth that they were women and who are still women). Being queer, non binary and being trans are an attack on patriarchy. For they put our thinking in gender roles to the test. And thus also an image of masculinity that lives from strength and dominance.

If we want to overcome patriarchy, we must also overcome thinking in two genders. At the same time it is so that most offers of help and support in cases of violence Exclude trans women and trans feminine people like me unconsciously – because we are not invited, are missgendered, there are no extra rooms. Or exclude us  consciously (we are unwanted because we would “scare” others). Trans, it seems to me, is still a taboo subject in the anti-violence movement.

Ni una Menos –  also means jumping over prejudices and leaving no one behind. Ni una Menas means being solidaric, to listen and to acting. And to understand that violence in patriarchy does not only concern cis women! Feminism and women’s liberation means attacking the rule of men. Feminism is to attack the logic with which patriarchy functions. And this includes thinking in only two genders. Let us stand shoulder to shoulder against fascism and against patriarchy! Against capitalism and against the two sexes!

Jin, Jîyan, Azadî and We won’t be erased!”